Die Frankfurter Künstlerin Lena Ditlmann ignoriert tradierte Grenzen: sie konfrontiert ihre filigranen Zeichnungen mit abstrakten Designobjekten. Das Zusammenspiel überzeugt.
Eine serielle Arbeit seien ihre Zeichnungen, „weil sich eine aus der nächsten ergibt“, sagt Lena Ditlmann. Sie ist Absolventin der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach und hat zusätzlich zwei Jahre bei Judith Hopf an der Städelschule studiert. Ditlmanns Zeichnungen sind geprägt von filigranen, in mehreren regelmäßigen Reihen aufgetragenen Linien. Es geht ihr jedoch nicht um konsequente Monotonie und Wiederholung, wie man sie etwa von den Konzeptkünstlern Hanne Darboven oder Roman Opałka kennt. Durch kleine, aber wirksame Eingriffe durchbricht Ditlmann immer wieder die Regelmäßigkeit ihrer Linienkonstellationen.Dadurch entstehen geradezu musikalische Rhythmen. Ditlmanns Zeichnungen erzeugen beim Betrachter Klänge, sie sind jedoch nicht laut, sondern im besten Sinne unaufdringlich, fast andächtig. Beabsichtigt ist diese Wirkung nicht. Andere Betrachter fühlen sich an Formen der Natur erinnert. „Die Assoziationen der Betrachter zu hören ist das Interessante an dieser Arbeit“, sagt Lena Ditlmann. Ihre Zeichnungen entstehen in mehreren Schritten. Zuerst grundiert Ditlmann die Blätter mit farbiger Tusche, wobei sie zumeist Blautöne verwendet. Darauf zeichnet sie dann mit Bunt- und Bleistift. Die Motive entstehen oft an einem Tag, ohne längere Unterbrechungen.
Wie strukturiert geht die Künstlerin ihre Bildmotive an? „Es gibt einen Kanon“, sagt Ditlmann. Damit bezieht sie sich auf einen konzeptionellen Rahmen, den sie sich selbst abgesteckt hat, in dem sie sich bewegt. Dass dieser Kanon nicht starr ist, ist Ditlmanns Arbeiten anzusehen. Sie changieren zwischen systematischer Strenge und freiem Spiel. In der Ausstellung ergänzt Lena Ditlmann ihre Zeichnungen durch Objekte aus der Sammlung von Frank Landau. Sie hat sich im Sammlungskatalog des Frankfurter Galeristen umgesehen und dessen Depot besucht. Sie habe keine Designobjekte ausgewählt, sagt Ditlmann. Also keine Exponate, deren Funktion auf den ersten Blick erkennbar wäre.
„Mich haben Objekte interessiert, die abstrakter sind“, erklärt Ditlmann. Es ging ihr um Freiraum für verschiedene Interpretationen. Durch die Auswahl möchte Ditlmann Korrespondenzen und Verwandtschaften zwischen (ihrer) Kunst und angewandter Gestaltung herstellen. So ist beispielsweise eine Pflanzenfotografie von Karl Blossfeldt (1865-1932) aus den 1920er-Jahren zu sehen. Blossfeldt lichtete Pflanzen mit großer Genauigkeit ab. Er betonte die ornamentalen und architektonischen Qualitäten der Pflanzen. Die Fotografien ursprünglicher Naturformen sollten als Unterrichtsvorlagen für Kunst- und Designstudenten dienen. Heute zählen Blossfeldts Arbeiten zu den Klassikern der neusachlichen Fotografie
Blossfeldts Buch „Urformen der Kunst“ mit 120 Pflanzentafeln bezeichnet Lena Ditlmann als einen Referenzpunkt für ihre Arbeit. Sie hat überdies zwei geflochtene Objekte ausgesucht – eine Yam-Maske aus Papua Neuguinea sowie einen bemalten Hinterhauptschmuck. Hier geht es Ditlmann um das Spiel von Linien, oder auch ganz buchstäblich um Verflechtungen. Zu sehen ist auch eine Vase des Künstlers Claude Conover (1907-1994). Er konzentrierte sich ausschließlich auf Keramik und schuf zahlreiche Vasen und Gefäße. Conover versah seine Objekte mit bisweilen archaisch wirkenden Linien- und Strichanordnungen. Diese zeichnerischen Strukturen findet Lena Ditlmann interessant, womöglich aber auch Conovers künstlerische Konsequenz. Erst bei näherem Hinsehen offenbart ein Blatt von Anton Stankowski (1906-1998) sein Motiv. Erst meint man, nur die Signatur des Grafikdesigners, Fotografen und Malers zu erkennen, der mit seinem markanten Entwurf für das Deutsche-Bank-Logo bekannt wurde. Tritt man näher, so offenbaren sich feine geometrisch Strukturen, die ins Blatt eingeprägt wurden (und entfernt an das schon erwähnte Logo erinnern). Das Zurückgenommene, Dezente dieser Arbeit korrespondiert mit Ditlmanns Ansatz. „Ob Kunst oder Design ist egal. Nur gut muss es sein“, sagte Anton Stankowski einmal. Wie kein anderes steht sein Werk für das Zusammenspiel von freier und angewandter Kunst.
Die noch immer gängigen Grenzen zwischen Kunst und Gestaltung möchte Lena Ditlmann ein Stück weit aufheben. Ihre Ausstellung ist im Rahmen des Saisonstarts der Frankfurter Galerien zu sehen. Das von der Interessengemeinschaft der Galerien organisierte Programm findet schon zum 23. Mal statt. Ein neues Konzept soll dieses Jahr für mehr Bekanntheit sorgen und ein breiteres Publikum ansprechen. Das Teilnehmerfeld wurde um weitere Galerien, aber auch Museen und nichtkommerzielle Ausstellungsräume („Off-Spaces“) erweitert. Es umfasst insgesamt 56 Ausstellungsorte. Ditlmanns Schau markiert den Auftakt zu einem langen Kunstwochenende. 069Frankfurts kreative Szene